Für jeden Schriftsteller kommt einmal der Moment, in dem er sein fertiges Manuskript einsenden …
Fan Fiction
Vom Fan zum Schriftsteller: Fan FictionGeschichte der Fan Fiction
Auch wenn Fan Fiction als modernes Phänomen gilt, war es viele Jahrtausende lang üblich, altbekannte Geschichten abzuwandeln, um Details zu ergänzen und neu zu erzählen. Alle Mythologien der Menschheitsgeschichte, die zunächst nur mündlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurden, entstanden auf diese Weise. Märchen und Sagen wurden ebenfalls so überliefert und immer wieder abgewandelt, weshalb heute verblüffend ähnliche Motive in den verschiedensten Ländern in unterschiedlichen Varianten zu finden sind. Erst mit der Entstehung des Berufsbild des Schriftstellers und der Entwicklung des Urheberrechts wurde es unüblich, sich von anderen erdachte Geschichten anzueignen und selbst weiterzuentwickeln.
Mit dem Zugang der breiten Bevölkerung zu Büchern und Filmen und dem Aufkommen einer Fan-Kultur entstand aber bald wieder das Bedürfnis, sich in fiktionale Welten hineinzudenken und sie sich zu eigen zu machen. Die ersten Geschichten der Neuzeit, die eindeutig dem Genre zuzuordnen sind, entstanden in den Dreißigerjahren, als sich viele Hobby-Autoren von den Abenteuern von Sherlock Holmes inspirieren ließen. Zu größerer Bekanntheit und Popularität gelangte Fan Fiction ab den Sechzigern mit Star Trek, das eine besonders große und aktive Fan-Gemeinde hat. Allerdings zirkulierten diese Geschichten damals noch in vergleichsweise geringer Zahl in selbst gedruckten Fanzines. Mit dem Internet vielen aber schließlich die Hürden, die unorganisierten Fans den Zugang zu Fan-Literatur erschwerten. Heute gibt es zahlreiche Webseiten, auf denen sich schreibfreudige Fans der verschiedenen Filme uns Serien austauschen können.
Juristische Grenzen von Fan-Geschichten
Die rechtlichen Gegebenheiten unterscheiden sich zwar in den verschiedenen Ländern in Einzelheiten, aber grundsätzlich unterliegen fiktionale Werke und die darin dargestellten Figuren dem Urheberrecht. Fan Fiction, die auf gegenwärtig noch geschützten Originalwerken beruht, bewegt sich deshalb in einer rechtlichen Grauzone. Manche Autoren und Rechteinhaber untersagen jede Art von Nutzung und Veröffentlichung von Geschichten, die von Fans erdacht wurden, und gehen auch juristisch dagegen vor. Andere fühlen sich dagegen davon geschmeichelt, dass Fans sich so sehr mit ihrem Werk identifizieren, dass sie aktiv daran teilhaben wollen. Meist wird Fan Fiction geduldet, solange sie strikt nicht-kommerziell ist.
Auf der rechtlich sicheren Seite sind Autoren, wenn sie sich von einer fiktionalen Welt lediglich inspirieren lassen, die vorgegebenen Charaktere und Handlungsstränge nicht in ihre eigenen Geschichten einbauen. Bei entsprechender literarischer Qualität ist dann sogar eine Veröffentlichung durch einen Verlag und ein kommerzieller Erfolg möglich. So ist beispielsweise "Fifty Shades of Grey" aus einer Fan-Geschichte hervorgegangen, die auf den "Twilight"-Romanen basierte und zunächst in Fortsetzungen auf einer Fan-Webseite erschien.
Fan-Geschichten als eigene Gattung
Obwohl sich Fan-Literatur natürlich an einem literarischen oder filmischen Vorbild orientiert, hat sie sich insbesondere in der jüngeren Vergangenheit zu einem eigenen und höchst lebendigen Genre entwickelt. Dabei sind auch verschiedene Strömungen und Gepflogenheiten entstanden. Sehr beliebt sind Ergänzungen der ursprünglichen Geschichten, die bislang nicht ausgeführte Erklärungen zu den Hintergründen eines Geschehens liefern. Auch Liebesgeschichten zwischen Charakteren, die im Original kein Paar sind, werden häufig erdacht. In einigen Fällen wird dabei auch mit einem Wechsel der sexuellen Orientierung gespielt oder eine Begegnung von Charakteren unterschiedlicher fiktionaler Welten in Szene gesetzt.
Da Fan Fiction ihre Wurzeln in den jeweiligen Fan-Gemeinden hat, wird die Mehrheit der Geschichten von reinen Hobby-Autoren verfasst. Die literarische Qualität ist deshalb oft nicht sehr hoch, was dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch tun muss. Für einen angehenden Schriftsteller kann das Verfassen solcher Fan-Geschichten eine gute Fingerübung sein, da er sich kein fiktionales Universum erarbeiten muss, sondern sich dank des bereits vorhandenen Materials auf das reine Schreiben konzentrieren kann.